Beobachtungstipp „Leuchtende Nachtwolken“

aufgenommen mit einem Smartphone, Saarland, @M. Risch

Heute möchten wir Sie auf ein Phänomen zwischen Erde und Weltraum aufmerksam machen, das zurzeit mit etwas Glück zu beobachten ist.

Bei den „Leuchtenden Nachtwolken“ handelt es sich um weiß/hellblau leuchtende Wolken aus Eiskristallen, die sich an Meteorstaub bilden. Das geschieht in der Hochatmosphäre (Mesosphäre) bei ca. 80km Höhe und damit an der Grenze zum Weltraum, die sich laut internationaler Definition 100km über der Erde befindet. Dort entstehen auch Polarlichter. Nur zum Vergleich: normale Wolken befinden sich bei 10 bis 20 km, Flugzeuge fliegen in ca. 12 km Höhe und der höchste Berg der Welt hat mit 8 km gerade einmal 1/10 die Höhe der leuchtenden Nachtwolken.

"NLC" (Nocticulent Luminous Clouds)

@M. Risch

Weil diese Wolken so hoch schweben, bekommen sie nach Sonnenuntergang noch Licht von der Sonne und erhellen die Nacht von ca. 22.00 Uhr bis Mitternacht. Ihre sehr feinen Wellenstrukturen kennt man bei anderen, normalen, Wolken nicht.

Die so genannten "NLC" (Noctilucent Luminous Clouds) treten normalerweise nur im hohen Norden auf, über Finnland, Norwegen, Schweden, Alaska oder Sibirien. Von Zeit zu Zeit sieht man sie auch mal in Norddeutschland und ganz selten in Süddeutschland, sehr tief am Nordhorizont.

Am 21. Juni jedoch gab es einen regelrechten Ausbruch, mit dem wohl niemand gerechnet hat. NLC waren über ganz Europa zu sehen, von England bis Italien. Über Südwestdeutschland (Saarland) sind die normalerweise horizontnahen Wolken bis in den Zenit vorgedrungen. Selbst Himmelsbeobachtern mit Jahrzehnten an Erfahrung hatten ähnliches noch nie zuvor gesehen.


Unser Kunde Sebastian Voltmer hat ein tolles Zeitraffervideo veröffentlicht:

Noctilucent Clouds (NLCs) - June 21, 2019 from Sebastian Voltmer on Vimeo.

Die Feuchtigkeit in der Atmomsphäre in den letzten 12 Jahren. Die rote Kurve steht für 2019 und zeigt einen deutlich stärkeren Ausschlag als in den Vorjahren (Quelle: Spaceweather.com)

Über die Ursache für diese ungewöhnliche Erscheinung wird derzeit diskutiert. Spaceweather.com vermeldet das in der Hochatmosphäre in mittleren Breiten mehr Feuchtigkeit gemessen wird. Ein Zusammenhang mit dem Aktivitätsminimum der Sonne ist bereits seit längerem im Gespräch. Wenn die Sonne wenig aktiv ist, so wie zur Zeit, dehnt sich die Atmosphäre stärker aus was anscheinend mehr Feuchtigkeit in größere Höhen befördert.

Ein Zusammenspiel mit dem sich verändernden Jetstream (siehe Video unten) der auch für die gegenwärtige Hitzewelle verantwortlich ist, könnte zusätzlich möglich sein,

Es kann in den nächsten Wochen jederzeit wieder zu einer solchen Erscheinung kommen. Allerdings lässt sich das nicht genau vorhersagen. Schauen Sie abends um 22.30h nach Norden, mit etwas Glück sehen Sie die hellen Wolken. Es ist ein unwirklicher Eindruck, wenn die Landschaft nachts in ein stahlblaues Licht getaucht wird. Richtig "außerirdisch"!

Die NASA versucht mit dem Satelliten AIM (Aeronomy of Ice in the Mesosphere) dem Phänomen auf den Grund zu gehen: https://www.nasa.gov/mission_pages/aim/index.html

Hier findet sich das jeweils letzte Foto aus dem Orbit, welches jedoch mehrere Tage alt sein kann:
http://lasp.colorado.edu/aim/cips/data/repository/prelim/current_daisy.png


Veränderte Wetterbedingungen. So lässt sich die extreme Hitze in Deutschland erklären:

https://www.n-tv.de/mediathek/videos/wissen/So-laesst-sich-die-extreme-Hitze-in-Deutschland-erklaeren-article21109149.html


Über den Autor: Michael Risch

Michael Risch

Seit er als kleines Kind die letzte Mondlandung gesehen hat, interessiert sich Michael für Astronomie und Raumfahrt.1981 wurde er Mitglied im Verein der Amateurastrononen des Saarlandes und hat als Vorstandsmitglied den Aufbau der Sternwarte Peterberg begleitet. Als Mitbegründer und erster Webmaster von www.astronomie.de hat er zahlreiche Ideen und Berichte zu astronomischen- und Raumfahrtthemen zum ersten deutschen Astronomieportal beigesteuert. In der Praxis hat er sich mit Planeten- und Kometen, Sonne, Deep Sky- sowie TWAN-Style Fotografie befasst, auch auf Fernreisen u.a. zu 7 totalen Sonnenfinsternissen. Als langjähriger wissenschaftlicher Lektor hat er "Nordlicht und Sterne" Reisen in den Polarkreis geleitet. Michael hat viele eigene Fotos und Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht und mit seinem Kollegen Martin Rietze für "Color Foto" Kapitel für die Bücher Fotoschule und Extremfotografie verfasst.

Bei Baader-Planetarium ist er im Sternwarten-Projektteam und wird im In- und Ausland für Vorträge gebucht. Ferner ist er Fachberater für Observatorien, Kuppeln, High End Montierungen, Teleskope und vieles mehr.


Hinterlasse eine Antwort