Die neuen "f/2" Schmalbandfilter von Baader im Einsatz.

Ein Erfahrungsbericht nach der fotografischen Aquisition von fünf verschiedenen Himmels-Objekten.

Von Dr. Claus Possberg, Sternwarte Freyung (www.possi.space) – Oktober 2022

Der Einsatz höchstlichtstarker Systeme wie Celestron RASA, Hyperstar oder spezieller Astrographen hat in den letzten Jahren die Aufnahme lichtschwacher Nebelobjekte revolutioniert, erfordert aber eine spezielle Filtertechnik, die ich hier besprechen möchte.

Die Privatsternwarte des Autors Claus Possberg, auch zu finden mit weiteren Informationen auf unserer Sternwarten-Weltkarte

Eine Emissionslinie, wie z.B. die H-alpha mit 656,28 Nanometern, erfährt beim Durchgang durch ein Linienfilter im Zentralstrahl optimalerweise nur eine sehr geringe Abschwächung. Die weltbesten Filter erreichen hier gut 90% Transmission. Geht der Strahl aber durch die Peripherie des Teleskopsystems, verschiebt sich die Emissionslinie geringfügig in Richtung kurzwelligeres Licht (Blueshift). Haben die Filter eine sehr schmalbandige Durchlasscharakteristik, wandert die Wellenlänge vom Maximum der Durchlasskurve in Richtung der Flanke und schwächt den Strahl unerwünscht ab. Die beliebten Fotonewtons, die üblicherweise eine Lichtstärke von f4 aufweisen, sind noch nicht so weit geöffnet, daß die Randstrahlen auch bei sehr schmalbandigen Filtern (3nm) signifikant geschwächt werden. So schmalbandige Linienfilter sind prinzipiell besonders begehrenswert, wenn man in einen nicht perfekt dunklen Umgebung Astrophotographie betreibt (durch Lichtverschmutzung oder Mondlicht) – davon ist fast jeder Astrofotograf irgendwann betroffen, denn wirklich stabil klare Nächte sind in unseren Breiten nicht allzu häufig.

Bei der Nutzung höchstlichtstarker Systeme (ich nutze u.a. ein  RASA 36cm - Rowe-Ackermann Schmidt Astrograph RASA 36cm - Rowe-Ackermann Schmidt Astrograph RASA 36cm - Rowe-Ackermann Schmidt Astrograph (#822251, € 18750,-) mit Blende f/2.2 in einem Bortle 3-4 Himmel) ist der Blueshift aber bereits so ausgeprägt, dass zum Teleskop-Rand hin zunehmend die Strahlen zunächst abgeschwächt, nahe dem Rand völlig unterdrückt werden. Da Spiegelteleskope prinzipiell keinen Zentralstrahl haben – bei dem RASA ist hier z.B. die Kamera angebracht – sind im Prinzip alle Strahlen mehr oder weniger "Randstrahlen" mit unterschiedlich ausgeprägtem Blueshift. Früher hatte man sich damit beholfen, Linienfilter mit breitem "Fenster" einzusetzen (z.B. 12nm oder mehr Halbwertsbreite), so daß die Randstrahlen noch nicht ausgelöscht werden. So breite Linienfilter lassen allerdings auch eine Menge Lichtverschmutzung mit durch.

Anmerkung von Baader Planetarium:
Die hier erwähnte Preshift-Problematik und die daraus folgenden Resultate haben wir in diesem Blogbeitrag und Whitepaper ausführlich dargestellt.Eine Auswahlhilfe um den passenden Filter für Ihr Teleskop zu finden, finden Sie hier: www.baader-planetarium.com/preshift

Eine bessere Möglichkeit stellt ein sogenannter "Preshift" dar, wo die Mittenfrequenz des Linienfilters etwas in Richtung blau versetzt wird (üblicherweise zwischen 1,5 und 3nm). Spezielle Filter für hochlichtstarke Systeme verwenden heutzutage diese Technik. Die neuen 3.5 / 4nm f/2 Ultra-Highspeed-Filtersatz – CMOS-optimiert (H-alpha / O-III / S-II) (verschiedene Versionen / Varianten erhältlich) von Baader kombinieren dies erstmals mit einer sehr engen Halbwertsbreite von nur 3,5nm (bei H-alpha) bzw. von 4nm (bei SII und OIII). Bei so engen Durchlasskurven muß der Betrag des Blueshift und somit die Mittenfrequenz des Filters exakt auf die Lichtstärke des Teleskops angepasst sein – sonst werden die Randstrahlen oder auch die mittennahen Strahlen ausgelöscht. Diese Lektion musste auch Baader lernen, denn Kunden, die z.B. ein Teleskop mit einer Lichtstärke von z.B. f/3.2 einsetzen, litten bereits unter deutlichem Lichtverlust bei den mehr zentralen Strahlen. Das Problem ließ sich physikalisch korrekt nur dadurch beheben, daß Baader seit kurzem zusätzlich eine weitere Version "f/3" anbietet, empfohlen für schnelle optische Systeme von f/3.4 bis f/2.3.

Die f/2 Ultra-Highspeed Filter im Einsatz

IC1318 Sadr Region: Mosaik 2x4 mit 2,03 Gbyte Originaldateigroesse in APP gestackt und fusioniert. Belichtungszeit zusammen 22,6h (24 Panes mit je 60', davon 95% verrechnet. HSO mit eigener Palette). Kamera ZWOO ASI6200MM PRO mit Baader f2 high speed Narrowbandfiltern. Download Full Size: 15MB, 20.000px Seitenlänge

Für mein RASA 36 (Lichtstärke f/2.2) habe ich einen Testsatz der Version "f/2 UNB" mit 50,4mm Durchmesser eingesetzt. Diese Version wird empfohlen für extrem schnelle optische Systeme von schneller als f/2.3, dürfte aber bei Lichtstärken von noch mehr als f/1.8 aber wohl auch nicht mehr funktionieren (extremst lichtstarke Fotoobjektive beispielsweise).

Ich hatte die Gelegenheit – mein Dank geht an Tobias Baader für die lange Testzeit – ohne irgendwelche Vorgaben die neuen Filter für etwa zwei Monate zu testen und habe fünf verschiedene Objekte damit aufgenommen (Aufnahmen siehe unten). Zum Vergleich hatte ich auch noch einen HSO-Satz 6nm Astronomik "FR" hier, die ebenfalls einen Blueshift aufweisen, aber eben nicht so schmalbandig sind.

Ich füge einige Ergebnisse als Beispiele für die neuen Baader "f/2"-Filter an. Ich möchte hier die Eigenschaften stichpunktartig aufzählen, die die neuen Filter bei meinen Aufnahmen aufweisen:

  • sehr schmalbandig, es kommt nur sehr wenig Lichtverschmutzung durch. Das ist v.a. beim OIII Filter wichtig. In diesem Punkt besser als 6nm breite Filter
  • kaum Lichtverlust beim hochlichtstarken System in allen drei Linien
  • sehr niedrige Halo-Neigung. Einen Hauch Halo findet man nur bei extrem hellen Sternen
  • keine Reflexe (zumindest sind mir keine aufgefallen)
  • geschwärzte Ränder reduzieren auch innere Reflexe
  • spezielle Beschichtung versiegelt die Kanten (trotzdem extreme Vorsicht – Anstoßen und Fingerabdrücke unbedingt vermeiden)
  • H-alpha und SII sind parfokal, OIII muß nachfokussiert werden (beim RASA egal, da sowieso ein Filterschieber verwendet werden muß, da für ein Filterrevolver kein Platz ist)
  • Individuelle Meßprotokolle lagen nicht bei. Der Kunde muß darauf vertrauen, daß es keine nennenswerte Exemplarstreuung gibt.
  • wie alle hochwertigen Schmalbandfilter teuer (auch meiner Sicht aber immer noch kompetetiv bepreist). Dafür die engsten Linienfilter für hochlichtstarke Systeme am derzeitigen Markt mit der besten Störlichtunterdrückung.

Fazit:

Ich habe für mich persönlich entschieden, daß ich diese exzellenten neuen Filter behalten werde. Die hochwertigen 6nm Filter, die ich bisher genutzt habe, werden verkauft.

Text und Bilder: © Dr. Claus Possberg, Sternwarte Freyung (www.possi.space) – Oktober 2022

SH2-115 und Abell 71: Schmalbandaufnahme Hubble II (modifiziert), ASI6200MM PRO als 2x1 Mosaik, insgsamt 15,6h Belichtungszeit in drei Nächten, davon 12,5h verrechnet. Gutes Seeing 1,2...1,4".

SH2-119: Schmalbandaufnahme Hubble II (modifiziert), ASI6200MM PRO, insgsamt 17,6h Belichtungszeit in vier Nächten, davon 14,1h (80%) verrechnet. Gutes, zeitweise sehr gutes Seeing 1,2...1,5".

SH2-134: Schmalbandaufnahme RGB Palette (modifiziert), ASI6200MM PRO, insgsamt 11,1h Belichtungszeit in drei Nächten, davon 8,9h (80%) verrechnet. Gutes, zeitweise sehr gutes Seeing 1,2...1,5".

SH2-103: Bicoloraufnahme HOO (modifiziert), ASI6200MM PRO, 7,2h verrechnete Belichtungszeit. Seeing sehr gut- gut. Baader Filter 3,5/4nm Testaufnahme.

IC1318 Sadr Region: Aufnahme wie oben, jedoch entsternt und verkleinert. Man beachte die Feinstruktur des Crescent-Nebels am Rand oben rechts sowie die kleine Blase JU1 darunter, die erst vor gut 10 Jahren von einem Amateur entdeckt wurde

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