Das Hauptproblem der Mondfotografie mit digitalen Spiegelreflexkameras ist die Luftunruhe. In der Astronomie wird der Effekt als Seeing bezeichnet. Wir leben am Boden eines Luftozeans über uns, und dieser ist nicht homogen, sondern besteht aus vielen verschiedenen Schichten mit unterschiedlichen Temperaturen. Das Mondlicht durchläuft diese Luftschichten und wird auf die eine oder andere Weise abgelenkt, und die Wellenfronten des Lichts werden gestört und deformiert. Drücken Sie nun auf den Auslöser ihrer Kamera und nehmen ein Mondbild auf, wissen Sie nicht, wie die Seeingbedingungen in diesem Moment wirklich sind – sie können gut oder miserabel sein.
Seeing besteht hauptsächlich aus 2 Komponenten:
- dem image motion und
- dem image blurring.
Image motion verschiebt Ihnen ein scharfes Mondbild partiell geometrisch auf dem Bildaufnahmesensor, blurring macht partielle Bildpartien unscharf …
Die Lucky Imaging Technik

Der Krater Stöffler in Bildmitte, aufgenommen im Fokus eines C14 (f = 3900mm), einer Celestron Skyris 445M und Baader IR Passfilter. 144/1800 frames gestackt mit AviStack. Die Bildauflösung des Originals liegt so bei 1000 Meter.
Die Lucky Imaging Technik wurde in der professionellen Astronomie in den 80ger Jahren entwickelt – hauptsächlich zur Trennung engster Doppelsterne und zur Speckle Interferometrie. Auch bei der Doppelsternbeobachtung gilt es, dem Seeing „ein Schnippchen zu schlagen“. Denn es verschmiert das Bild enger Doppelsterne zu einem „matschigen“ Fleck, so dass der Begleitstern im helleren Hauptstern „verschwindet“. Gleiches gilt natürlich auch für die hochaufgelöste Sonnen- und Planetenfotografie – das Seeing verschmiert feinste Bilddetails zu unscharfen Bildern.
Die Idee hinter der Lucky Imaging Technik ist folgende: in einem möglichst kurzen Zeitraum wird eine große Anzahl von Einzelbildern (mehrere hundert bis zu mehreren tausend) mit sehr kurzen Belichtungszeiten aufgenommen. Diese Einzelbilder werden meist als Film im .avi-Format abgespeichert. Die einzelnen Bilder sind stark verrauscht (bei der analogen Fotografie sprach man von grobkörnig) und werden in einer späteren Bildverarbeitung durch die Addierung vieler Einzelbilder entrauscht. Bei dieser Bildaddierung spricht man auch vom „stacking“. So lässt sich auch dem Seeing ein Schnippchen schlagen, denn ist es für einige zehntel Sekunden gut und stabil, hat man schon viele Bilder im Kasten. Mit dieser Aufnahmetechnik ist es tatsächlich möglich, das theoretische Auflösungsvermögen einer Teleskopoptik zu erreichen – teilweise sogar zu unterschreiten.
Heute sind drei sehr gute und kostenlose Softwarepakete zum stacken solcher Videofiles frei verfügbar, es sind:
- AviStack von Dr. M. Theusner
- RegiStax von Cor Berrevoets und
- AutoStakkert von Emil Kraaikamp
Jedes davon hat seine Vor- und Nachteile. So muss jeder Nutzer sehen, mit welcher Software er am besten klar kommt.
Zusätzlich zur Technik der Lucky Imaging Methode wurde damals eine spezielle Bildschärfungsroutine entwickelt: die so genannte Waveletfilterung. Sie ist zum Beispiel in AviStack von Dr. Theusner intergriert und bringt erstaunliche Ergebnisse.
Was brauchen Sie an Technik, um in die Lucky Imaging Fotografie einzusteigen?
Natürlich zuerst einmal Ihr Teleskop. Sollen 1 bis 2km Auflösung auf der Mondoberfläche erreicht werden, sollte die Öffnung schon so ungefähr 300mm betragen. In dieser Größenordnung kommen praktisch nur noch Newton- oder Schmidt Cassegrain Teleskope in Frage. Lange Brennweiten sind gefordert, und damit stabile, präzise laufende Montierun-gen. Zum Beispiel hat ein Celestron 11 bei 280mm Öffnung schon eine fokale Brennweite von 2.800mm.
Dann natürlich ein Videomodul – für die reine Mondfotografie genügt eine monochrome Kamera.
Gab es bis vor wenigen Jahren praktisch nur Kameras von Celestron und „The imaging source“, bietet der Markt heute eine fast unüberschaubare Anzahl an Anbietern. Deshalb soll hier keine Kaufempfehlung ausgesprochen werden. Wollen Sie ein Modul erstehen, informieren Sie sich am besten in einem der vielen technisch-astronomischen Diskussionsbords.
Dann müssen Sie natürlich das Videomodul an Ihr Teleskop ansetzen können. Aufgrund der kleinen Aufnahmechips in den Modulen genügt hier ein 1¼“ Anschluss. Die meisten Videomodule werden bereits mit einer 1¼“ Steckhülse auf CMount (Kameragewinde) mit innen liegendem M28 Gewinde zur Filteraufnahme geliefert. Ist der Okularauszug Ihres Teleskops auf 2“ ausgelegt, brauchen Sie zusätzlich einen Adapter zur Reduzierung von 2“ auf 1¼“
Was noch?

Die teilbare Baader Q-Turret Barlowlinse. Das optische Element kann direkt in die 1¼“ Steckhülse eingeschraubt werden. Verlängerungsfaktor dann ca. 1,7-fach, in der Verlängerungshülse ca. 2,2-fach
Bei Teleskopen mit kürzeren Brennweiten empfiehlt es sich, die Brennweite mit einer Barlowlinse zu verlängern. Der Autor hat sehr gute Erfahrungen mit der Baader 1¼“ Q-Turret Barlowlinse gemacht. Sie ist flexibel einsetzbar, bietet eine hohe optische Qualität und ist preiswert.
Warum Q-Turert? Bei dieser Barlowlinse lässt sich das optische Element aus der Steck-hülse herausschrauben und direkt in die Steckhülse der Videokamera einschrauben. So lässt sich der brennweitenverlängernde Faktor zwischen ca. 1,7 bis 2,2-fach steuern. So können Sie die Brennweite den Seeingbedingungen anpassen.

Das Bild zeigt den 2“/1¼“ Adapter, die Skyris 445M mit in die Steckhülse eingeschraubten Barlowelement und das 2“ IR Passfilter, welches direkt in den 2“ Adapter eingeschraubt werden kann.
Essenziell: Je nach Teleskopanschluss (1¼“ oder 2“) ein entsprechend passendes Baader IR Passfilter (Produktlink). Es ist ein Filter, welches erst Licht von Wellenlängen ab 680nm (tiefrot bis nahes Infrarot) passieren lässt. Warum ein solches Filter? Seeing ist wellenlängenabhängig und im blauen bis sichtbaren Spektralbereich deutlich stärker als im dunkelroten bis nahen Infrarotbereich. Das Filter bewirkt „Wunder“ zur Beruhigung der Seeingbedingungen.

Die Umgebung des Krater Clavius, aufgenommen im Fokus eines C8 (f = 2000mm), einer Celestron Skyris 445M und Baader IR Passfilter. 144/1800 frames gestackt mit AviStack. Aufnahme vom 22. Juli 2018.
Abschließend sei bemerkt, dass die Lucky Imaging Technik auch mit kleineren Teleskopen wesentlich bessere Mondbilder erzeugt, als bei Aufnahmen mit Spiegelreflexkameras – eben weil das Seeing „ausgetrickst“ wird. 120- bis 150mm Refraktoren oder z.B. ein Celestron C6 oder ein C8 (Produktlinks) (gute, sauber kollimierte Optiken vorausge-setzt) können erstaunliche Mondbilder liefern.
Zum Abschluss eine kurze Formelsammlung (die natürlich auch für die Fotografie mit DSLR Kameras anwendbar ist):
Das Auflösungsvermögen einer Teleskopöffnung in Bogensekunden
Auflösungsvermögen α [„] = 1,03 x 206 271 x (λ/D)
λ = Lichtwellenlänge [mm], D = Teleskopöffnung [mm]
Grünes Licht hat eine Wellenlänge von 0,00055mm, und für ein Celestron 11 mit 280mm
Öffnung beträgt das Auflösungsvermögen = 0,41 Bogensekunden. Obige Formel zeigt sofort, dass das Auflösungsvermögen Wellenlängen abhängig ist. Für blaues Licht (0,0004mm) steigt die Auflösung, für rotes Licht (0,00056) wird der Wert schlechter.
Warum dann also ein IR Passfilter bei 0,00068mm einsetzen, wenn doch die Auflösung schlechter wird? Hier ist es nach vielen praktischen Versuchen einfach so, dass das Auflö-sungsvermögen der Bilder durch die Seeingberuhigung besser ist, als bei Aufnahmen ohne IR Passfilter im grünen oder blauen Spektralbereich.
Der Abbildungsmaßstab auf dem Videosensor:
Abbildungsmaßstab [Bogensekunden pro Pixel] = 206 x (Pixelgröße [μ] / f [mm])
Für ein Celestron 11 mit 2.800mm Brennweite ergibt sich also bei einer Pixelgröße von 5,6μ (DMK 618M) ein Abbildungsmaßstab von 0,41“/pro Pixel.
Gesichtsfeldgröße auf dem Videosensor:
Gesichtsfeld [in Bogenminuten] = 3438 x (Breite des Sensors [mm] / Brennweite [mm] bzw. x (Höhe des Sensors [mm] / Brennweite [mm])
Beispiel: der Sensor des Videomodul Celestron Skyris 445M hat die geometrischen Ab-messungen von 4,8 x 3,8mm bei einer Pixelgröße von 3,75μ (0,00375mm). Für das Celestron C11 ergibt sich bei fokaler Brennweite (2800mm) ein Gesichtsfeld von 5,9 x 4,4 Bogenminuten. Die Auflösung beträgt 0,28“/pxl und liegt deutlich unter der theoretischen Auflösung der Optik. In dieser Kombination könnte also bereits beugungsbegrenzt fotografiert werden.
Zu dem Thema Lucky Imaging ist bereits soviel geschrieben worden, dass ich zum Abschluss auf folgende Weblinks verweisen möchte:
Tipps + Tricks zur hoch auflösenden Mond- und Planetenfotografie mit einem Videomodul - ein kurzer "Workflow" für SC Teleskope mit Baader Zubehör
Das ist ein pdf-file und beschreibt ausführlich mit Tipps und Tricks die hochauflösende Mond- und Planetenfotografie.
Videofotografie des Mondes - Lucky Imaging, eine kurze Beschreibung
Diese Seite beschreibt ausführlich die Lucky Imaging Videografie und die Verarbeitung der .avi-files mit der Software AviStack mit weiterführenden Links.
Baader IR Passfilter - Im praktischen Einsatz
Diese Seite beschreibt ausführlich den Einsatz des IR Passfilters von Baader Planetarium.
IR-Pass Filtervergleich Planetenfotografie
Diese Seite befasst sich mit einem Filtervergleich ebenfalls mit dem Baader IR Passfilter.
Mondbilder an Tagen
Diese Webseite zeigt, dass es mit dem IR Passfilter sogar möglich ist, Mondbilder am Tageshimmel und bei hohem Sonnenstand aufzunehmen.
Bildergebnisse, aufgenommen im Fokus eines Celestron 14, einem Celestron Skyris 445M Videomodul und dem Baader IR Passfilter
Die folgenden beiden Links öffnen 2 online Mondatlanten. Einer zeigt ausschließlich kleine und große vulkanische Strukturen, der zweite normale Strukturen der Mondoberfläche wie Krater, Rillen etc.
- http://www.chamaeleon-observatory-onjala.de/mondatlas/index.htm
- http://www.chamaeleon-observatory-onjala.de/mondatlas-2/index.htm
Speziell zum Seeing:
Diese Webseite beschreibt den kompletten Ablauf und die Bildbearbeitung der Lucky Imaging Fotografie, bezogen auf die hoch auflösende Sonnenfotografie
In den nächsten Monaten wollen wir Ihnen hier in loser Reihenfolge eine Reihe Tipps und Beiträge präsentieren, damit Sie die Faszination Mond selbst nachvollziehen können. Sind Sie Ready for the Moon?
- 15.04.19 Exklusive Angebote: Ready for the Moon
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Kurze Beschreibung verschiedener Mondstrukturen, die dem Amateur in der fotografischen und visuellen Beobachtung zugängig sind - 14.08.2019: Besonders interessante Mondregionen
Wir haben drei spezielle Mondregionen für ihre Mondbeobachtungen ausgewählt, in denen möglichst viele der vorher beschriebenen lunaren Strukturen zu einer annähernd gleichen Mondphase (= Mondalter = Beleuchtung durch die Sonne) beobachtbar sind.
Über den Autor: Wolfgang Paech

Dipl. Ing. Wolfgang Paech betreibt Astronomie seit nunmehr über 50 Jahren. Neben seinen zahlreichen Erfahrungen mit Sternwarten-Kuppeln aller Art sind seine Kerngebiete die Sonne und der Mond. Auf der Website www.chamaeleon-observatory-onjala.de finden Sie einen kompletten Mondatlas, aufgenommen mit seiner Standardtechnik. Aber auch in Sachen Deep-Sky und Planeten kann ihm, als langjährig erfahrenem Astrofotograf, niemand etwas vormachen.
Die 50+ Jahre Amateurastronomie mit vielen weiteren Bereichen, wie z.B. der Restaurierung historischer Amateurteleskope, Polarlichtreisen und vielem mehr sind auf seiner privaten Webseite unter www.astrotech-hannover.de aufbereitet.